Dokus und Reportagen drehen mit Kindern und Jugendlichen

Artikel von Maria Rilz

Ob zur Erinnerung, für soziale Medien, für Eltern oder sogar Sponsoren – in der sozialen und kulturellen Arbeit gibt es viele Anlässe etwas per Video zu dokumentieren. Das kann etwa ein Sommerfest sein, eine Theateraufführung oder ein Forschungsprojekt, das festgehalten werden soll. Eine solche Dokumentation gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen zu erstellen, kann eine wertvolle Erfahrung sein um ihre kreativen Fähigkeiten zu fördern, Medienkompetenz zu festigen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Perspektive auf die Welt zu präsentieren.

1. Vorbemerkung

Bei einem solchen Projekt gibt es ein paar Dinge zu beachten. An erster Stelle steht hier der Grundsatz, die Kinder und Jugendlichen nicht zu instrumentalisieren, denn das passiert leicht – und vor allem unbewusst. Sobald die betroffene Einrichtung schon eine sehr konkrete Vorstellung davon hat, wie das Werk aussehen soll oder einen wie auch immer gearteten Anspruch an oder Einsatzzweck für den fertigen Film hat, gilt es hellhörig zu werden. Kinder und Jugendliche erstellen keine Imagefilme!

Bei der Erstellung einer Filmdokumentation müssen Kinder und Jugendliche respektiert und ihre Perspektiven und Gefühle ernst genommen werden. Denn nur dann fühlen sie sich wertgeschätzt und können ihre eigene Stimme entwickeln. Zu hohe Erwartungen an das Endprodukt können zu Überforderung und Ermüdung führen.

Doch auch der vermeintlich freilassende Ansatz, „das filmen wir schnell mit dem Handy mit“ kann zu Frustration und Enttäuschung führen, spätestens beim Schnitt des Materials. Deshalb braucht es eine kundige und einfühlsame Unterstützung ohne Bevormundung von Anleitenden mit einem Grundwissen über Filmarbeit.

Zusammenfassend kann man sagen: ein dokumentarisches Filmprojekt mit Kindern und Jugendlichen mag zunächst einfach klingen, ist aber eigentlich einer der komplexeren Formen der aktiven Medienarbeit.

2. Konkrete Umsetzung

Gruppe

  • Reportagen drehen Kinderreporter*innen und Jugendliche gleichermaßen gerne. Ein solches Projekt zu stemmen funktioniert gut ab der 3. Klasse.
  • Einen Dokumentarfilm zu drehen eignet sich für Jugendliche ab ca. 12 Jahren
  • Ein Film-Team besteht meist aus 4-6 Teilnehmenden

Diese technische Ausrüstung wird benötigt

  • „Film-Tablets“, also ein Tablet mit Stativ und Mikrofon aufgerüstet, oder
  • kleine Videoausrüstung: Kamera, Stativ, Tonangel, Mikrofon, Lampe
  • Rechner mit Schnittprogramm (z. B. Adobe Premiere, Final Cut X, iMovie, Magix)

2.1 Diese Vorarbeit ist sinnvoll

Format wählen. Im Wesentlichen unterscheidet man zwei Formate für eine Filmdoku:
Dokumentation und Reportage.
Eine Dokumentation blickt „von außen“ auf das Geschehen. Teilnehmende kommen maximal in Form von kleinen Interviews oder Statements zu Wort.
Bei der Reportage moderieren ein oder mehrere „Reporter*innen“
und begleiten das Geschehen mit Kommentar, entweder mit Mikrofon im Bild oder als gesprochener Off-Text.

Konzept erarbeiten. Egal für welches Format man sich entscheidet, am Anfang steht natürlich das Konzept, in dem gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen festgelegt wird, welche Informationen gesammelt werden und wie sie präsentiert werden sollen. In unserem Beispiel soll ein Sommerfest dokumentiert werden, das aus Reden, Vorführungen, Büffet und Disco besteht.

Einführung in Theorie und Praxis des Filmens. Vor dem Start des Drehs wird mit den Kindern und Jugendlichen die Grundlagen des Filmens wie Perspektiven, Einstellungsgrößen, Umgang mit der Kamera etc. erarbeitet und ausprobiert. Wichtig bei der Filmarbeit ist die Gruppenarbeit und die Möglichkeit, in alle Rollen vor und hinter der Kamera schlüpfen zu können.

Rechtliche Fragestellungen klären. Vor dem Start gilt es, gemeinsam einige wichtige rechtliche Hinweise zu beachten:

Recht am eigenen Bild

  • Dürfen alle Beteiligten vor der Kamera zu sehen sein? Von der Filmgruppe sollten Einverständniserklärungen der Eltern vorliegen.
  • Bei Veranstaltungen unbedingt einen Hinweis-Zettel aufhängen oder eine Vorab-Info an die Eltern schicken, dass Aufnahmen gemacht und veröffentlicht werden.
  • Kinder, die nicht vor die Kamera dürfen, sollten der Gruppe bekannt sein. Bei großen Veranstaltungen können Buttons oder Armbändchen hilfreich sein.

Urheberrechte

  • Musikrechte bei z.B. Aufführungen müssen beachtet werden, nicht jede Musik darf veröffentlicht werden.
  • Auch bei aller im Schnitt verwendeter Musik unbedingt die Rechte beachten! Entweder CC-Musik oder sonstige rechtefreie Musik verwenden, wie z. B. Artlist, Premium Beat.

Sonst kann der Film möglicherweise nicht öffentlich gezeigt werden.

2.2 Dreharbeiten gestalten

Filmaufnahmen machen. Von allen Programmpunkten werden nun Aufnahmen gesammelt. Wenn es mehrere Kameras gibt, überlegt man, wer welche Aufnahmen macht, damit nicht zu viel Material gesammelt wird.

Bei Reden oder Vorführungen ist es günstig mindestens zwei Kameras zu haben. Eine nimmt eine Totale von hinten auf, in der das ganze Geschehen zu sehen ist und eine zweite Kamera nimmt die wichtigen Sachen in Nahaufnahmen auf. Die beiden Kameras werden dann im Schnitt gemischt, so kann auch leicht gekürzt werden. Eine Kamera sollte dabei mit gutem Ton versorgt sein, die entweder direkt mit der Saalanlage verbunden wird, oder ein Richtmikrofon wird auf ein Stativ in die Nähe der Bühne gestellt.

Davor und Danach können sogenannte Schnittbilder entstehen, indem das bunte Treiben in ansprechenden Momentaufnahmen gefilmt wird. Fröhliche, glückliche Sommerfest-Gäste, die Spaß haben!

Umfragen und Interviews machen. Zusätzlich können kleine Umfragen und Interviews gemacht werden. Bitte auf jeden Fall ein Mikro verwenden! Zwei bis drei Fragen reichen meistens vollkommen aus. Die Fragen sollten unbedingt offen gestellt sein, d.h. dass sie nicht einfach mit Ja oder Nein beantwortet werden können.

Bei Reportagen: Anmoderation und Abmoderation drehen. Ein oder zwei Reporter*innen vor der Kamera berichten direkt in die Kamera, etwa so:

„Wir sind hier beim Sommerfest der XY-Schule. Es sind schon ganz schön viele Leute da. Hinter den Kulissen wird noch fleißig aufgebaut… und das zeigen wir Euch jetzt mal…“
Hier sollte am besten ein Handmikrofon genutzt werden.

2.3 Filmschnitt

Film gemeinsam schneiden. Wenn alle Aufnahmen im Kasten sind, geht es an die Schnittarbeit. Um hier nicht von Stunden an Material erschlagen zu werden, ist es wichtig, sich schon beim Drehen zu beschränken. Hier liegt eine der größten Gefahren für ein gelungenes Projekt!
Im Schnitt nun entsteht der eigentliche Film. Wie ein Puzzle, das aus vielen, kleinen Teilen besteht, setzt man jetzt die Doku zusammen. Die Kinder und Jugendlichen probieren aus, wie der Schnitt die Wirkung des Films beeinflusst, etwa durch die Auswahl des Materials und der Musik. Hier gibt es kein Rezept, aber unserer Sommerfest-Film könnte in etwa so aussehen:

Am Anfang eine Montage besonders schöner Aufnahmen aller Programmteile, eine Art Trailer, der mit Musik unterlegt ist. Dann kommen Interviewaussagen, gefolgt von einem Auszug einer Rede oder einer Vorführung, dann wieder Aufnahmen mit Musik und zum Schluss die Besucher*innen, die erzählen, wie toll alles war.

Die gleiche Veranstaltung könnte auch als Reportage umgesetzt werden, und würde dann in etwa so aussehen:

Erst die Anmoderation der Reporterinnen. Dann die Aufnahmen ähnlich wie oben. Interviews, bei denen die Reporterinnen mit im Bild sind, folgen. Den Schluss bildet dann eine Abmoderation der Reporter*innen. Reportagen lassen sich manchmal etwas leichter schneiden, da die Moderation eine Struktur bietet, der man mit Bildmaterial folgen kann.

3. Projektabschluss

Film präsentieren. Eine Filmpremiere ist natürlich das Highlight der ganzen Produktion. Am besten so groß wie möglich mit Beamer und Boxen und viel Applaus. Hier haben die jungen Filmemacherinnen die Möglichkeit ihren Film der Öffentlichkeit (ja nach Rechten natürlich) zu präsentieren, Feedback und Anerkennung zu bekommen und auch nochmal den ganzen Prozess für Zuschauende zu erklären. Das Ganze kann toll unterstützt werden, zum Beispiel mit einem roten Teppich, Popcorn und vielleicht einer Oskar-ähnlichen Trophäe. Ein Erlebnis, dass sich als Erfolgserlebnis einprägen wird. Stolze Filmemacherinnen mit leuchtenden Augen sind ein toller Lohn!

Maria Rilz ist Filmemacherin, Kamerafrau und Medienpädagogin. Sie arbeitet freiberuflich seit 1999 im Fernsehen- und Filmbereich. Studiert hat sie soziale Arbeit.

Dokus und Reportagen drehen mit Kindern und Jugendlichen

Artikel von Maria Rilz

Maria Rilz ist Filmemacherin, Kamerafrau und Medienpädagogin. Sie arbeitet freiberuflich seit 1999 im Fernsehen- und Filmbereich. Studiert hat sie soziale Arbeit.

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