Musikvideo gegen Rollenklischees

Ein Projekt von: M. Schredinger – Medien_Weiter_Bildung #gender 2019
Sieben Kinder sitzen auf einer Treppe und strecken ihre Arme nach oben in die Luft.

Das Projekt – Wir drehen ein Musikvideo

Einleitung und Hintergrund des Projekts: Um Mädchen und Jungen alle Möglichkeiten zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit geben zu können, ist es notwendig, dass wir Kinder dahingehend unterstützen, unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit die ganze Bandbreite an Gefühlen und Verhaltensweisen zuzulassen, die ihrer Persönlichkeit und ihrer Realität entsprechen und nicht nur den Ausschnitt zu zeigen, der innerhalb der jeweiligen Geschlechtsnorm erlaubt ist. (vgl. Handwörterbuch der Hortpädagogik, Lambertus, 2. Auflage, K. 8, S. 103)
Des Weiteren ist, wie ich finde, ein wichtiger Auftrag des Hortes die „Kompetenz zur geschlechterbezogenen Sichtweise“ zu vermitteln. Das Konzept des „Gender Mainstreaming“ beabsichtigt, auf allen Ebenen ein neues Denken zu etablieren, das den Aspekt der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern, Mädchen und Jungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens integriert. 
Mir ist jedoch aufgefallen, dass Fachkräfte in vielen Einrichtungen dieses bedeutende Thema kaum ansprechen oder umsetzen. Mit z.B. einem Küchendienst, der für Mädchen und Jungen gilt oder einer Aktivität wie z. B. ‚Basketball für Mädchen’, ist es leider noch nicht getan. Um hier etwas langfristig zu verändern und zu bewirken, muss man tiefer gehen. Ich habe mich für die Durchführung dieses Projektes entschieden, um genauer zu beobachten, warum und ob geschlechtsspezifische – oder wie man sie häufig auch nennt „geschlechtstypische“ – Verhaltensweisen überhaupt existieren und wie man Rollenklischees entgegenwirkt. Nur wenn wir frühzeitig damit anfangen, Benachteiligungen abzubauen und Gleichberechtigung zu fördern, können die künftigen Handlungen von Mädchen und Jungen aus einer geschlechtersensiblen Perspektive heraus gestaltet werden. Denn nur Kinder, die selbst die Möglichkeit hatten, als Individuum wahrgenommen zu werden und nicht als Mädchen oder Junge, mit all den einengenden Stereotypen, können später tolerante und selbstbestimmte Persönlichkeiten werden.

Medien- und genderpädagogische Ziele

Eines meiner Hauptziele war die Sensiblisierung von Geschlechterrollen und die eigenständige Produktion eines Musikvideos. Die Mädchen und Jungen sollen unterschiedliche Medienkompetenzen erwerben. Die Feinziele waren:

  • Mädchen und Jungen erkennen das andere Geschlecht als gleichwertig und gleichberechtigt an.
  • Mädchen und Jungen nehmen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum anderen Geschlecht wahr und wertschätzen diese.
  • Mädchen und Jungen besitzen einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien.
  • Mädchen und Jungen besitzen aufgrund verschiedener Aktivitäten einen wertschätzenden Umgang miteinander.
  • Mädchen und Jungen erkennen während verschiedener Aktivitäten und in Gesprächen, dass die Gemeinsamkeiten hinsichtlich Begabungen, Fähigkeiten, Interessen und anderen Persönlichkeitsmerkmalen größer als die Unterschiede sind.
  • Mädchen und Jungen können Bücher und andere Medien auf traditionelle Rollendarstellungen hin untersuchen und diese kritisch hinterfragen.
  • Mädchen und Jungen erleben Gleichberechtigung und Wertschätzung 
  • Mädchen und Jungen haben die gleichen Aufgaben bzw. Dienste; Ideen und Meinungen beider Geschlechter werden aufgegriffen und umgesetzt (z. B. im Projekt Videoclip).
  • Mädchen und Jungen gehen selbstbewusst ihren eigenen Interessen nach.

Zielgruppe und Beteiligte

  • 10 Jungen und Mädchen im Alter von 6 bis 11 Jahren  
  • eine heterogene Gruppe bestehend aus 6 Mädchen und 4 Jungen

Die Mädchen und Jungen unserer Einrichtung haben unterschiedliche familiäre Hintergründe. Diese erstrecken sich über Groß- und Kleinfamilien, alleinerziehende Mütter und Väter, junge oder ältere Eltern, verheiratete und nicht verheiratete Paare, deutsche wie ausländische Familien. Demnach besteht eine Vielzahl an verschiedenen Lebensgemeinschaften, Lebensumständen, Rollenverteilungen und Erziehungsstilen. Mädchen und Jungen übernehmen durch diese unterschiedlichen Umwelteinflüsse Verhaltensweisen. Diese sind entweder mehr oder weniger geschlechtsspezifisch.

  • 2 Erzieherinnen und eine Springerin, wir funktionierten als Impulsgeber und wollten, dass das Projekt hauptsächlich von den Kindern alleine entsteht.  

Projektdauer

Mit dem Projekt an sich haben wir uns ca. 3 Monate im vorraus auseinandergesetzt. Dazu gehörte die Ideenfindung, allgemeine Vorbereitungen, die Auswahl des Liedes und die Erarbeitung eines eigenen Textes etc. Der tatsächliche Beginn des Videodrehs und der Tonaufnahmen war jedoch ziemlich kurzfristig – 4 Wochen vor der großen Premiere. 
Arbeitstunden ca. 40 Stunden mit den Kindern und die Teamer*innen noch ungefähr 10 mehr. (Rechere der Apps, Brennen der CDs, Galaabend vorbereiten ect.)

Plakat: Einladung zum Galaabend am 21. November um 16:30 Uhr. Eintritt frei.

Eingesetzte Methoden

Die meisten Projekteinheiten wurden in Form kleiner Workshops durchgeführt. Unter anderem hatten wir einen Musiker zu Besuch, der etwas über sein Leben als Musiker berichtet hat und mit uns Musik gemacht hat! 

Einstieg Kinderkonferenz zum Thema Gender. Verschiedene Angebote: Was ist typisch Mädchen?, Typisch Junge? Dies wurde in geschlechtshomogenen Gruppen erarbeitet und anschließend gemeinsam im Kreis evaluiert. Gibt es typisch Mädchen, typisch Junge? Gibt es Dinge, die gleich sind? Warum sind Mädchen und Jungen wichtig? etc. In den verschiedenen Kinderversammlungen versuchte ich, den Mädchen und Jungen (in kindgerechter Form) zu verdeutlichen, dass Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale, durch die sie sich voneinander unterscheiden, in Kategorien eingeteilt werden. Sie werden als groß oder klein, als hellhäutig oder dunkelhäutig, als weiblich oder männlich usw. klassifiziert. Indem dieser Einteilung nach verschiedenen Merkmalen oder Kategorien auch noch verschiedene Wesensmerkmale oder Eigenschaften zugeordnet werden, entstehen Stereotype. Werden an Stereotype auch noch Erwartungen bestimmter Eigenschaften gehängt, trifft man auf Geschlechterrollen.

Als ich in einer Kinderversammlung das Thema geschlechtsspezifische Verhaltensweisen und Rollenklischees einführte, konnte die Gruppe erst einmal nichts mit diesen Begriffen anfangen. Ich fing also ganz einfach mit der Sprache an, die sehr deutlich zeigt, dass sie eine männerausgerichtete Sprache ist. Sprache ist nicht neutral, wie viele glauben möchten. Wertvorstellungen, Klischees und Vorurteile prägen die Sprache und die Sprache prägt wiederum das Bewusstsein der Menschen. Wörter lassen Bilder im Kopf entstehen und diese sollten nicht nur männlich sein. Sprache ist nicht nur Kommunikationsmittel, sondern spiegelt unsere Welterfahrung wider, prägt unser Denken und unsere Identität. Formulierungen, welche eine Personen betreffen, müssen sich deshalb auf Frauen und Männer gleichermaßen beziehen. Differenzierte Formulierungen sind nicht nur geschlechtergerecht – sie tragen zur Qualität und Verständlichkeit der Sprache bei. Ich sagte also zu den Mädchen und Jungen: „Nennt mir einen guten Musiker.“ Es fielen ihnen natürlich einige ein, aber eben nur männliche. Dann änderte ich die Aufgabe: „Nennt mir eine gute Musikerin oder einen guten Musiker.“ Nun zählten Mädchen sowie Jungen auch Sängerinnen auf, die sie toll fanden. Wir gestalteten gemeinsam eine Collage, auf der wir Wörter auflisteten, die, wie sich im nach hinein herausstellte, erschreckend war. Verbrüderung, Kaufmannsladen, Heulsuse, seinen Mann stehen, Zimperliese, Puppenmutti, Krankenschwester, Schülerausweis, Mannschaft, Hampelmann, Leserbrief, Fußgängerstreifen, Autofahrer, Arbeiter und viele mehr standen auf dieser Collage. Gemeinsam überlegten wir, welche Wörter wir umändern können, also z. B. anstatt Fußgängerstreifen, Zebrastreifen zu sagen, oder anstatt Mannschaft einfach Team. Oder welche Begriffe wir in der weiblichen und männlichen Form nennen sollten. So z. B. Schülerinnen und Schüler, Autofahrerinnen und Autofahrer, Lehrerinnen und Lehrer. 
Die Reaktionen in der Gruppe waren erstaunlich, da sie sich wirklich Gedanken machten und dies mittlerweile schon sehr gut umsetzen. Begriffe wie Heulsuse oder Memme werden weniger oder gar nicht mehr benutzt. 

Sieben Kinder sitzen auf einer Treppe und strecken ihre Arme nach oben in die Luft.

Zum Thema Berufe habe ich mit den Mädchen und Jungen den „Beruf“ der Hausfrau erarbeitet. Wir haben dazu die vielfältigen Aufgaben, die eine Hausfrau unbezahlt leistet, festgestellt und auf Plakaten festgehalten. Wir haben ausführlich darüber gesprochen, dass Frauen nicht nur Putzfrauen, Kindergärtnerinnen, Friseurinnen, usw. werden können, sondern auch Polizistinnen, Feuerwehrfrauen und dergleichen. Anschließend haben wir Rollenspiele mit vertauschten Rollen gemacht. Dazu durften die Mädchen in die Rolle ihrer Väter und die Jungen in die ihrer Mütter schlüpfen. Dies schärfte das Bewusstsein darüber, dass die Mädchen und Jungen verschiedene Berufe und Arbeiten wertschätzten und auch, dass sie später einmal die freie Auswahl haben werden, welchen Interessen und Berufen sie nachgehen können.

Ein weiteres Angebot war das „Ich bin ich“ Projekt. Die Mädchen und Jungen durften Ich-Plakate gestalten, auf denen sie u.a. ihre Zimmer darstellten, ihre Freundinnen und Freunde, ihre Lieblingsspielsachen und sich selbst. Darunter schrieben sie ihren Namen, was sie gut können, was ihnen an sich selbst am Besten gefällt und was anderen Leuten, ihrer Meinung nach, an ihnen am besten gefällt. So erkannten sie, dass Vorlieben, Interessen, Neigungen und Stärken geschlechtsunabhängig sind, sowie dass Gemeinsamkeiten bei Mädchen und Jungen sehr groß sind. Diese Aktivitäten und Projekte entstanden aus Ideen und Vorschlägen von den Mädchen und Jungen. Ich habe Bemerkungen, Gedankengänge und Handlungen aufgegriffen und weitergeführt.

Weitere Angebote

  • Wir gestalten eine Collage mit und ohne traditionellen Rollendarstellungen und Jungen probieren in gleichgeschlechtlichen (Mädchentreff/Jungentreff) sowie gemischtgeschlechtlichen Gruppen (Bewegungsmix/Videoclip) Neues aus.
  • Rollenklisches in verschiedenen Medien erkennen: Film, Fernsehprogramme, Zeitung, Werbung und vor allem in Musikvideos. Dabei insbesondere was für Kleidung die Personen in den Videos tragen (z. B. Gangster mit Goldketten und andere typische Merkmale wie nackte Frauen, Autos etc.) 
  • Die meisten Projekteinheiten wurden in Form kleiner Workshops durchgeführt. Unter anderem hatten wir einen Musiker zu Besuch, der etwas über sein Leben als Musiker berichtet hat und mit uns Musik gemacht hat! Außerdem auch einen Ausflug zum Bavariafilmstudio und in die Bayrische Staatsoper, aber dies schon vor dem Projekt. 

Eingesetzte Medien

Kamera, Handy, Aufnahmegerät für Tonaufnahmen, Greenscreentuch, Laptop, Apps und Programme: Greenscreenapp, Diktiergerat auf dem Handy, Moviemaker

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Musikvideo gegen Rollenklischees

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