Genderkompetenz

Ein Artikel von Michael Bloech Ausgehend von geschlechtsbezogenen Diskriminierungen in einer
Gesellschaft, entwickelte sich die Strategie des Gender Mainstreaming, bei der
vor allem die Aufhebung der Benachteiligung von Frauen als Zielvorgabe
formuliert wurde. Um aber überhaupt diese Ungleichbehandlungen wahrnehmen zu
können, ist eine spezifische geschlechtsbezogene Sensibilität in den Bereichen
Chancengleichheit, Anti-Diskriminierung und Wissen um geschlechtsbezogene
Spezifika notwendig. Zudem postuliert Gender Mainstreaming konkrete Ziel- und
Handlungsvorgaben, um geschlechtsbezogene Benachteiligungen abzubauen. All
diese gebündelten Fähigkeiten, d.h. die Sensibilität, das Wissen und Handeln in
Bezug auf Gender, werden als Genderkompetenz bezeichnet. Um genderkompetent agieren zu können, ist es daher zunächst wichtig, sich alle relevanten Aspekte der Geschlechterbezogenheit in der gesamten Breite sozialen Handelns zu vergegenwärtigen. Hierbei steht vor allem die Frage nach mangelnder Chancengleichheit im Vordergrund. Wenn Diskriminierungen und deren Ursachen generell analysiert werden sollen, ist es notwendig, Wissen über die gesamtgesellschaftlichen Wirkungsmechanismen für Benachteiligungen zu erwerben. Der zentrale Punkt ist hierbei „Macht“ und damit verbunden die Frage, wer mit welchem Motiv und welchen Methoden diese Macht durchsetzt bzw. durchsetzen möchte. Macht ist die notwendige Voraussetzung, um Diskriminierungen überhaupt realisieren zu können. Die Ursachen und die offenen oder versteckten Begründungen für Benachteiligungen liegen wiederum zumeist im Bereich von Vorurteilen, insbesondere von Geschlechterrollenstereotypen. Das Motiv für Diskriminierungen ist jedoch gar nicht in Faktoren wie Ethnie, Religion oder Geschlecht selbst zu finden, sondern schlicht in der Frage des historisch gewachsenen Machterhalts oder angestrebten Machterwerbs. Da Machtausübung sich in modernen Gesellschaften zunehmend über kommunikative Prozesse zu legitimieren sucht, ist es daher wichtig, Vorurteilen argumentativ entgegen zu treten. So gesehen, ist der stetige, eigene Wissenserwerb im gesamten Zusammenhang mit allen Fragen von Gender unabdingbar. Insbesondere die Diskussion um LGBTQI* erfordert hier eine Justierung des Genderbegriffs. In einem zweiten Schritt der Genderkompetenz ist es notwendig, den Blick auf das eigene Denken und Handeln, dem eigenen geschlechtsbezogenen Verhalten, zu richten. Dieser reflexive Schritt ist bedeutsam, da ein Gutteil der Motivation, Gender Mainstreaming voranzutreiben, im eigenen Weltbild und eigenem, konkretem geschlechtsbezogenen Verhalten im Alltag zu finden ist. Ausschlaggebend, sich für Gender Mainstreaming einzusetzen, kann deshalb die Erfahrung der eigenen tatsächlichen oder gefühlten Benachteiligung sein, aber auch, einfach gesagt, das Motiv, generell für eine „gerechte Sache zu kämpfen“. Im dritten Schritt, nach dem Erwerb von Wissen und der
kritischen, eigenen Reflexion, beginnt die eigentlich schwierige Phase. Denn um
Benachteiligungen aufzubrechen, ist jetzt das Handeln entscheidend. Dabei ist
allerdings die oft gemachte Erfahrung einer geringen Selbstwirksamkeit keineswegs
eine Frage der eigenen, mangelnden Kompetenz in Genderfragen, sondern vor allem
die Folge von Machtstrukturen. Ein noch so emotionaler, sachlich fundierter
Vortrag einer Frau aus der unteren Entscheidungsebene, wird in einer
hierarchisch, von Männern dominierten Organisation kaum Spuren hinterlassen,
oder gar Veränderungen provozieren. Daher erfordert Genderkompetenz auch stets
kommunikative Kompetenz: Ohne Weiterbildung, Überzeugungsarbeit und weitere
Mitstreitende kann es keine Veränderungen geben. Ein interessanter Ansatz, um Diskriminierungen abzubauen, dürfte
das sogenannte „Managing Diversity“ Konzept sein, das Ursachen für
Benachteiligungen in verschiedensten Bereichen bekämpft. Ohne die mangelnde
Chancengleichheit von Frauen aus dem Blick zu verlieren, werden hier weitere
Faktoren miteinbezogen und versucht, sich dem Ideal, einer Chancengleichheit
für alle, anzunähern. Individuelle Unterschiede in einer Gesellschaft werden dabei
nicht als Faktoren zur Diskriminierung genutzt, sondern als Bereicherung durch
Vielfalt begriffen.